Über 25 Jahre ökologischer Weinbau – was uns bewegt – wofür wir stehen; Gedanken von Hans-Peter Müller

GESTERN
Pionier-Jahre
Die genaue Beobachtung der Natur, insbesondere des Wechselspiels zwischen Rebe, Boden und Begrünung überzeugten mich bereits in den 70er Jahren von der Überlegenheit eines vielfältig begrünten Bodens gegenüber dem ständigen Wenden und Lockern der Erde.
Die Auseinandersetzung mit gesunder, vollwertiger Ernährung – ausgelöst durch die Geburt unserer beiden Kinder Sabine 1984 und Sebastian 1986, ließ den Entschluss reifen, auch selbst möglichst unbelastete biologisch erzeugte Weine zu produzieren.
Ersten Bioanbau-Versuchen 1985 folgte 1990 die Total-Umstellung auf ökologischen Anbau und die Mitgliedschaft im ECOVIN-Bundesverband Ökologischer Weinbau.

Die allgemeine Meinung zu widerlegen, ohne synthetische Spritzmittel sei kein Weinbau möglich, war Hauptansporn in jenen Pionier-Jahren. Galt es doch nicht nur den Bio-Weinbau zu erfinden, sondern auch die Abhängigkeit von den Düngemittel- und Chemie-Konzernen zu überwinden.
In regelmäßigen regionalen Gruppentreffen tauschte man untereinander Erfahrungen aus und bestärkte sich gegenseitig auf dem Weg in einen pestizidfreien Weinbau.

HEUTE
Gesellschaftsfähig
Der ökologische Pflanzenschutz ist keine „Geheimwissenschaft“ mehr und wird auch nicht mehr belächelt. Die Anbaufläche hat sich bundesweit in den letzten Jahren auf ca. 5 % verdoppelt. Mehr ist es immer noch nicht. Auch einige Fasswein-Erzeuger mit 20 und mehr Hektar produzieren heute Biowein meist nach EU-Mindeststandart und bedienen die Lebensmittelketten.
Bio ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. „Bio“ und „nachhaltig“ sind beliebte Schlagworte in der Produkt-Werbung. Dabei verspricht die Werbung meist mehr Nachhaltigkeit als die Produktion hält.
Zunehmend tragen auch manche Bio-Erzeuger dem Wunsch nach Spiritualität Rechnung und öffnen sich in Produktion und Vermarktung esoterischen Einflüssen.

Generationenfolge
Im Brühler Hof ist die junge Generation nachgerückt. Sohn Sebastian kümmert sich um die Ausbildung der Lehrlinge und teilt sich mit mir die Pflege der Weinberge und den Weinausbau. Tochter Sabine sorgt mit Mutter Margit für das leibliche Wohl des Teams und unterstützt mich im Büro. Die Auslieferung der Weine zum Kunden, ein sehr beliebtes Tätigkeitsfeld, wird „gerecht“ aufgeteilt.

Routine
Der ökologische Anbau der 8 ha Rebfläche ist im Brühler Hof mittlerweile zur Routine mit jahrgangsspezifischen Herausforderungen geworden. Der Kupfereinsatz liegt im Schnitt der Jahre bei ca. 2 kg je ha und hat noch nie an die erlaubten 3 kg herangereicht. Der Traubenwickler wird weitgehend mit Pheromonen (Sexualduftstoffen) bekämpft. Die Kellerwirtschaft ist so weit entwickelt, dass weit über die ökologischen Standards hinaus hochwertige Weine unter Verzicht aller tierischen Zusatzstoffe und Schönungsmittel erzeugt werden. Auf Enzym-Zusatz und Hefenährsalze wird ebenfalls verzichtet.

Preis-wert
Die Brühler Hof-Weine sind im Mittelpreis-Segment angesiedelt. Da wir den ökologischen Anbau nicht als eine Produktionsart für eine elitäre Minderheit, sondern als allgemein notwendige Form zukünftiger Landbewirtschaftung ansehen, sind wir stolz darauf, die Weine für (fast) jeden erschwinglich anbieten zu können. Preiswert, im Sinne von „seinen Preis wert sein“ liegt uns am Herzen. Dass trotz aller Nachhaltigkeits-Anstrengungen die Wirtschaftlichkeit des Betriebes gegeben ist, ist ein Beleg für die Praktikabilität und Sinnhaltigkeit einer allgemeinen Umstellung auf ökologischen Landbau.

MORGEN
Nachhaltigkeit, Biodiversität, soziale Verantwortung
Wein ist ein nicht lebensnotwendiges Genussmittel. Seine Erzeugung rechtfertigt keine Schädigung der Umwelt und keine Verschwendung fruchtbaren Bodens. Weinerzeugung sollte daher ohne negative Einflüsse auf die Natur geschehen. Eine CO2-neutrale Produktion ist für uns dabei eine der zentralen Herausforderungen der Zukunft. Dass wir auf diesem Weg schon ein gutes Stück vorangeschritten sind belegt folgender Biodiversitäts-Check, erstellt vom Global Nature Fund und der Bodensee-Stiftung.

Wein ist nicht alles

Überzeugt von der Notwendigkeit des ökologischen Landbaus als allgemeine Form zukünftiger Landbewirtschaftung ist es unsere Intension, Verbraucher und Erzeuger für den ökologischen Landbau zu begeistern. Diesem Ziel dient bereits seit 2002 die Mitwirkung im Netzwerk der Demonstrationsbetriebe des ökologischen Landbaus. Mit zahlreichen Veranstaltungen zum Thema Ökologischer Weinbau informieren wir von Mai bis Dezember interessierte Verbraucher und Erzeuger.
Darüber hinaus wird seit 2009 durch die Teilnahme am rheinland-pfälzischen Projekt Lernort-Bauernhof Schülern erlebnis- und handlungsorientierter Unterricht im Brühler Hof angeboten. Dabei wird in spielerischer Form Wissen über Nachhaltigkeit und Ernährung vermittelt. Da uns der Umgang mit Kindern sehr viel Freude bereitet, möchten wir diesem Arbeitsfeld künftig mehr Zeit widmen.

Ort der Begegnung
Durch das Angebot eines Ausbildungsplatzes zum Winzer und zweier Plätze für ein Freiwilliges Ökologisches Jahr, sowie die Aufnahme von Waldorfschul-Praktikanten und WWOOFern aller Nationen entwickelt sich das Weingut zu einer Begegnungsstätte ökologisch interessierter meist junger Menschen. Die Freude am gemeinsamen, sinnerfüllten Schaffen soll auch künftig den abwechslungsreichen Arbeitsalltag des Brühler Hof bestimmen.
Der Ausbau der Selbstversorgung mit gesundem Obst und Gemüse gehört zu den Aufgaben der nächsten Jahre. In diesem Zusammenhang haben wir bereits versuchsweise mit dem Feldfruchtanbau zwischen den Weinreben begonnen.

Regionale Vermarktung
Um die CO2-Emissionen niedrig zu halten haben wir schon in der Vergangenheit Export-Angebote abgelehnt. Dennoch wird der größte Teil unserer Weine außerhalb Rheinland-Pfalz abgesetzt. Durch die Schaffung interessanter Abhol-Anreize soll der regionale Absatz forciert werden. Hierzu dient der Bau eines entsprechenden Verkostungs- und Verkaufsraumes.